Erziehung, Verhalten
29.07.2020

Die verschiedenen Lernformen beim Hund

Beim Lernen wird auf Erfahrungen aufgebaut, damit eine Verhaltensveränderung stattfindet und gefestigt wird, ohne die dabei begangenen Fehler zu wiederholen. Erlerntes wird lang- oder kurzfristig abgespeichert, es kann also auch wieder verschwinden. Es gibt verschiedene Methoden für eine erfolgreiche Erziehung beim Hund. Es liegt im Ermessen des Besitzers, die nachhaltigste(n) Methode(n) zu finden.

I – Das nicht-assoziative Lernen:

Eine einfache Lernform, bei der das Tier wiederholt einem bestimmten Ereignis ausgesetzt ist. Es gibt zwei Arten:

  • Habituation: Dabei wird eine Verhaltensweise schrittweise und dauerhaft reduziert, indem der Hund wiederholt und in regelmässigen Intervallen einem Reiz ausgesetzt wird. Belohnungen werden hier nicht eingesetzt. Bei der Habituation lernt der Vierbeiner also, nicht zu reagieren. So kann etwa für ängstliche Hunde ein Stressfaktor neutralisiert werden. Die Habituation ist recht einfach in den Alltag zu integrieren. Ein Beispiel ist, dem Hund die Angst vor dem Staubsauger zu nehmen. Zu Beginn sollte «gestaubsaugt» werden, ohne das Gerät einzuschalten, damit es keinen Lärm erzeugt. So gewöhnt sich der Hund zunächst an den Gegenstand. Hat der Vierbeiner dann vor dem Staubsauger keine Angst mehr, kann dieser auf niedrigster Stufe eingeschaltet werden. Nach und nach kann er immer stärker eingestellt werden, bis der Hund bei normaler Verwendung keine Angst mehr davor hat. Einem Hund, der sich vor Motorrad- oder anderem Strassenlärm fürchtet, können entsprechende Aufnahmen vorgespielt werden – zunächst sehr leise und schliesslich immer lauter, bis sich der Hund auch daran gewöhnt hat.
  • Sensitivierung: Das Gegenteil der Habituation. Sie verstärkt die ursprüngliche Reaktion auf einen Reiz. Das ist bei leicht unangenehmen Reizen der Fall. Zum Beispiel erschreckt sich der Hund, nachdem er einen Alarm ein zweites Mal wahrgenommen hat, stärker oder hat einen noch höheren Puls als beim ersten Mal. Der Stress des Tieres ist sehr gross, weshalb der Reiz tunlichst zu vermeiden ist, solange das Tier nicht daran gewöhnt wurde. Nicht alle Hunde reagieren gleich auf die Sensitivierung: Ein von Natur aus eher gestresstes oder ein altes Tier springt leichter darauf an.

In manchen Fällen können sich Sensitivierung und Habituation positiv ergänzen. Zum Beispiel erschreckt sich ein Hund und hat Angst/bellt, wenn ein Motorrad vorbeifährt. Beim zweiten Mal hat er noch mehr Angst/bellt er noch stärker: Er wurde sensitiviert. Je öfter jedoch ein Motorrad vorbeifährt, umso eher gewöhnt sich der Hund daran, bis er schliesslich keine Angst mehr davor hat: Die Habituation hat funktioniert.

Manchmal kann auch eine neuerliche Habituation nötig sein, wenn eine leichte Änderung am Reiz wieder eine starke Reaktion beim Hund hervorruft. Der Hund aus unserem Beispiel kann untertags sehr gut an Motorräder gewöhnt sein, sich aber in der Nacht davor fürchten, da nun zusätzlich zum Lärm auch noch die Scheinwerfer Angst machen.

Manchmal kann es jedoch auch passieren, dass man seinen Hund für verschiedene Gegenstände/Geräusche (Staubsauger, Waschmaschine, Motorrad usw.) sensitiviert, anstatt ihn daran zu gewöhnen. Das liegt meistens daran, dass zu schnell vorgegangen und der Hund überfordert wird. Um seinen Vierbeiner an gewisse Reize zu gewöhnen, ist es wichtig, langsam fortzuschreiten und die Intensität wirklich schrittweise und über mehrere Wochen anzupassen.

II – Das assoziative Lernen:

Der Hund wird einem Ereignis ausgesetzt, das er mit einem anderen verknüpft. Diese Art von Lernen folgt dem Prinzip von Ursache und Wirkung: Ein Verhalten, auf das eine angenehme Konsequenz folgt, wird verstärkt – und umgekehrt. Der Hund verinnerlicht die Verknüpfung von Ursache und Wirkung und kann die Folge einer Handlung vorausahnen.

Man spricht bei dieser Lernform auch von Konditionierung. Es gibt zwei Arten:

Die klassische Konditionierung (Typ 1): Der Hund reagiert immer schneller und reflexartig auf einen neutralen Reiz, wenn dieser mit einem anderen Reiz verknüpft wurde, der die Reaktion eigentlich auslöst. Zum Beispiel passiert beim Läuten einer Glocke (neutraler Reiz, der keine Reaktion auslöst) für gewöhnlich nichts. Läutet die Glocke aber immer, bevor der Hund etwas zu essen bekommt, wird nach einer Weile das Läuten der Glocke ausreichen, damit der Speichelfluss des Hundes zunimmt.

Die operante Konditionierung (Typ 2): Der Hund legt ein bewusstes Verhalten an den Tag, wenn er versteht, welche Folgen es haben wird. So kann ein Verhalten verstärkt werden (die Wahrscheinlichkeit seines Auftretens steigt), indem man eine Belohnung darauf folgen lässt. Im Gegenzug ist es möglich ein Verhalten zu bestrafen, damit es seltener auftritt. Man unterscheidet zwischen:

  • Positiver Verstärkung: eine Belohnung geben (z. B. ein Leckerli, nachdem der Hund «Sitz» gemacht hat) à das Verhalten wird wahrscheinlicher
  • Negativer Verstärkung: eine unangenehme Folge verhindern à das Verhalten wird wahrscheinlicher
  • Positiver Bestrafung: eine unangenehme Folge umsetzen à das Verhalten nimmt ab
  • Negativer Bestrafung: eine Belohnung vorenthalten à das Verhalten nimmt ab. Das passiert auch, wenn ein Hund nicht mehr regelmässig belohnt wird, wenn er folgt: Er hört immer schlechter, da es für ihn keinen Anreiz mehr hat.

Um das Verhalten des Hundes zu ändern, ist die wirksamste Methode, gewünschte Verhaltensweisen zu verstärken. Ein unerwünschtes Verhalten kann so auch reduziert oder verhindert werden.

Aber Achtung:

  • Die Zeit, in der der Hund ein Verhalten mit seiner Folge verknüpft, ist auf ein paar Sekunden beschränkt. Der Hund darf NIEMALS im Nachhinein bestraft/belohnt werden. Seinen Hund zu bestrafen, wenn man nach der Arbeit feststellt, dass er das Sofa beschädigt hat, bringt nichts. Der Hund kann nicht verstehen, warum er geschimpft wird. Schlimmer noch: Er verknüpft die Bestrafung mit der Heimkehr seines Besitzers.
  • Wird gewünschtes Verhalten des Hundes gar nicht mehr belohnt (z. B. wenn er auf Kommando «Sitz» macht), kann dieses Verhalten abnehmen oder sogar ganz aufhören. Auch bereits erlerntes Verhalten muss regelmässig (aber nicht mehr so systematisch) verstärkt werden, damit es anhält.

III – Soziales Lernen:

  • Social Facilitation: Ein Gegenstand oder ein Ort wird interessanter, wenn der Hund einen Menschen oder ein anderes Tier dabei beobachtet, wie er/es sich damit beschäftigt. Das kann zum Beispiel beobachtet werden, wenn man sich auf den Boden setzt und dort mit einem Gegenstand spielt. Es wird nicht lange dauern, bis der Hund kommt, um zu sehen, was für seinen Besitzer so interessant ist.
  • Imitationslernen: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier ein (bereits bekanntes) Verhalten an den Tag legt, wird erhöht, wenn es das Verhalten bei seinen Artgenossen beobachtet hat. Ein Hund kann lernen, etwas zu tun, indem er einen anderen Hund oder seinen Besitzer bei der Handlung beobachtet: die Tür öffnen, ein neues Nahrungsmittel probieren usw.

Es gibt also zahlreiche, gut kombinierbare Methoden, einem Hund etwas beizubringen. Problematisches Verhalten zu korrigieren, ist auch einfacher, wenn man versteht, was im Hund vorgeht. Zum Beispiel, wenn der Hund lange Zeit bei Tisch gefüttert wurde und er nun nicht mehr betteln kommen soll. Es braucht eine Weile, bis der Hund nicht mehr betteln kommt, da er dieses Verhalten damit verknüpft hat, dass er Futter bekommt (positive Verstärkung durch den Besitzer). Bekommt er plötzlich keine Leckereien mehr, wenn er betteln kommt (sein Betteln also nicht mehr belohnt wird, negative Bestrafung), wird das Verhalten nicht mehr verstärkt und somit nach und nach verschwinden.